Die große Verwandlung

Die große Verwandlung

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In Gedenken an meinen lieben Patenonkel Albrecht „Acki“ Stücke

Mein Weg führt mich zum Großmünster. Es steht ehrwürdig inmitten der Altstadt von Zürich oberhalb der Limmat, die aus dem nahe gelegenen See entspringt. Seine beiden Doppeltürme sind das Wahrzeichen der Stadt. Huldrych Zwingli wirkte hier im 16. Jahrhundert als Reformator der Kirche und Wegbereiter zu mehr Freiheit für die Menschen. Für mich ist das Großmünster ein wunderbarer Ort der Ruhe, Geborgenheit und Kraft. Gewöhnlich komme ich hierher, um Gottes Nähe zu spüren und inspiriert zu werden. Heute möchte ich von diesem besonderen Ort aus in Gedanken Abschied nehmen von einem wunderbaren Menschen.

Zürcher Großmünster
Zürcher Großmünster

Der Innenraum des Großmünsters wirkt schlicht. Umso deutlicher leuchten heute die bunten Glasfenster des Künstlers Augusto Giacometti in den Raum – als wollte jemand sagen: „Lass Farbe in Dein Herz und in Deine Gedanken – insbesondere, wenn das Leben trist erscheint“. Das mittlere Fenster zeigt Maria und das zu ihren Füssen liegende Jesuskind, links und rechts sind je ein heiliger König dargestellt, oben die Engel.

Giacometti-Fenster im Großmünster
Giacometti-Fenster im Großmünster

Gastpfarrer Joachim Koenig aus Winterthur hält die Predigt. Er spricht über die „Die große Verwandlung“ und liest aus dem 2. Brief von Paulus an die Korinther: „Darum kennen wir von jetzt an niemanden mehr nach dem Fleisch; auch Christus – sollten wir ihn auf diese Weise gekannt haben – kennen wir jetzt nicht mehr so. Wenn also jemand Christus ist, dann ist das neue Schöpfung: das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Alles aber kommt von Gott, der uns durch Jesus Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat, Denn ich bin gewiss: Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und unter uns das Wort der Versöhnung aufgerichtet hat.“ Die große Verwandlung, und dabei den Tod zu überwinden, führt schließlich zu einer neuen Schöpfung. Damit verbunden ist die Versöhnung – im Reinen sein mit sich selbst, mit anderen und mit Gott.

Acki und Stephan

Noch vor wenigen Wochen, Mitte Januar, sind wir beide spazieren gegangen – in Heiligenkirchen, wo Du immer gerne gelebt hast, lieber Acki. Die kleine Kirche dort ist etwa so alt wie das Großmünster in Zürich und sie ist auch evangelisch-reformiert. Zwinglis Gedanken reichten bis nach Lippe/Detmold. Der Kern der Kirche ist etwa aus dem 12. Jahrhundert. Du hast Dich für Geschichte und Kunst immer interessiert. Alte Bauwerke, Skulpturen oder Bilder haben Dich mehr fasziniert als neue Kreationen.

Historische Kirche in Heiligenkirchen bei Detmold
Historische Kirche in Heiligenkirchen bei Detmold

Du hast erklärt: „Die alten Bauwerke haben viele Jahrhunderte überstanden, und wir staunen heute noch über deren wunderbare Architektur. Was in den letzten Jahren gebaut wurde, ist nicht von Dauer und hat oft auch keinen Stil.“ Umso mehr hat es Dich gefreut, dass die Ruine der Falkenburg im Teutoburger Wald seit Jahren immer weiter freigelegt wird. „Es ist beeindruckend, wieviel von der Burg wieder sichtbar geworden ist!“, machtest Du deutlich. Mit dem Auto fuhren wir von Heiligenkirchen nach Schlangen bis zum Landhaus Hirschsprung. Dort wurde das Fahrzeug abgestellt, und es ging weiter zu Fuß auf Wanderwegen durch den Teutoburger Wald. Die Falkenburg wurde im 12. Jahrhundert erbaut. In der Zeit müssen raue Gesellen in dieser Gegend gehaust haben. Das hattest Du dann auch spontan demonstriert.

Acki als rauer Geselle mit Schiebermütze

Menschen mit Schiebermütze, oder „Deckel“, wie Du immer sagtest, waren und sind auch heute sicher nicht gefährlich, dachte ich mir und musste lachen.

Oben angekommen fühlten wir uns wie in einem fernen Land. Alles wirkte anders, geheimnisvoll, spannend. Wir bestaunten, was Archäologen freigegraben hatten. Eigentlich hättest Du auch Archäologe werden können… Vielleicht warst Du es ja schon einmal, und wir wissen es einfach nur nicht. Eines bist Du auf jeden Fall: ein guter Freund – selbst, wenn es stürmt.

Auf unseren Spaziergängen haben wir viel gesprochen – über das, was gerade anlag, Familie, Politik, Kunst und „Gott und die Welt“.

Stückescher Bauernhof in Reimershagen (etwa 1951)
Stückescher Bauernhof in Reimershagen (etwa 1951)

In letzter Zeit haben wir öfter über Reimershagen gesprochen. Deine Eltern Emma und Albrecht Stücke waren 1935 ins ferne Mecklenburg gezogen, um eine Existenz aufzubauen. Dort warst Du mit Deinen Geschwistern aufgewachsen.

Familie Stücke in Reimershagen

Hier seid ihr abgebildet, die ganze Familie. Vater Albrecht links und Mutter Emma rechts. Dazwischen vier Kinder. Wo bist Du? Dein Bruder Hermann sitzt links außen und versucht, sich Platz zu verschaffen. Am Gesichtsausdruck meine ich zu erkennen, dass es ihm etwas schwerfällt. Anni, die älteste, steht sinnierend mit Finger am Mund rechts außen. Und die jüngsten sitzen auf dem Arm: Dorothea beim Vater und Du bei der Mutter.

Seither ist viel Zeit vergangen, und es ist Unglaubliches geschehen: ein Weltkrieg, die Flucht in den Westen, der Wiederaufbau, Mondlandung, die 68er, Emanzipation, Spaceshuttle, Internet, und vieles mehr. Du hast die Folgen des Krieges als Ursache für viele Probleme in der Bevölkerung und in der Familie vermutet. Da hat Dich Dein Optimismus manchmal verlassen. Doch wir waren auch gemeinsam in Berlin. Wir spürten und bewunderten die Wiedervereinigung. Ereignisse, Erlebnisse und Erfahrungen lassen Menschen reifen. Ihr habt Eure unterschiedlichen Talente entwickeln können. So sind Deine Geschwister und Du zu echten Persönlichkeiten herangewachsen.

Echte Persönlichkeiten

Ich finde Euch großartig! Und darauf könnt Ihr schon etwas stolz sein, denn Eure Persönlichkeit habt Ihr hart erworben.
Sicher, hin und wieder gab es Reibungspunkte oder auch Krisen. Kaum eine Familie bleibt davon verschont. Oft liegen die Ursachen für Streit tief in der Vergangenheit. Es geht um Gerechtigkeit und Respekt. Allzu leicht können diese verletzt werden. Für Entschuldigungen sind wir manchmal zu stolz, zu gekränkt und daher emotional zu festgefahren. „Denn ich bin gewiss: Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und unter uns das Wort der Versöhnung aufgerichtet hat.“, schreibt Paulus in seinem 2. Brief an die Korinther. Das ist für mich die wichtige Botschaft am heutigen Tag, und sie gilt auch sonst.

Am Ende sind es viele Menschen, die Dich lieben und in ihr Herz geschlossen haben, und die Dich grüßen. Ich habe für Dich einige schöne Fotos für Dich gefunden, die das ausdrücken.

„Wenn also jemand Christus ist, dann ist das neue Schöpfung: das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ Niemand geht verloren durch die große Verwandlung. Wir vergessen Dich nicht und wünschen Dir Fröhlichkeit, wo auch immer Du bist.

Nun genieße die unendliche Freiheit!

Unendliche Freiheit

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